Darf man Priester Vater nennen?
Paulus nennt an verschiedenen Stellen seine Nachfolger "Kinder" - wie ist dieses Verbot zu verstehen?
Das folgende Zitat wird oft benutzt, um zu bestreiten, dass katholische Priester "Pater", "Father", oder sonstwie betitelt werden dürfen:
Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
Matthäus 23,9
Kontext
Das Verbot richtet sich gegen die Überhöhung menschlicher Autorität auf Kosten der göttlichen. Es schließt jedoch nicht aus, dass wir in angemessener Weise geistliche Führer als "Vater" anerkennen, solange wir erkennen, dass alle Vaterschaft letztlich von Gott kommt.
Trotz des Gebots gibt es zahlreiche Bibelstellen, in denen Menschen als "Vater" bezeichnet werden, so zum Beispiel:
Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich das, sondern um euch als meine geliebten Kinder zu ermahnen. Denn wenn ihr auch zehntausend Erzieher in Christus habt, so doch nicht viele Väter; denn in Christus Jesus habe ich euch gezeugt durch das Evangelium.
1 Korinther 4,14-15
Dieser Vers ist besonders wichtig, da er das Konzept der geistigen Vaterschaft zeigt: Jemand kann auch durch seine Lehren zum Vater werden, wenn auch zwar nicht leiblich. Paulus gibt hiermit an, der geistige Vater seiner "Kinder" zu sein, die er "gezeugt" hat. Wäre es somit generell verboten, den Priester einen geistigen Vater zu nennen, würde Paulus hier gegen Jesus' Gebot verstoßen.
Paulus, Apostel Christi Jesu gemäß dem Auftrag Gottes, unseres Retters, und Christi Jesu, unserer Hoffnung, an Timotheus, sein rechtmäßiges Kind im Glauben.
1 Timotheus 1,1-2
Man wird dich nicht mehr Abram nennen. Abraham, Vater der Menge, wird dein Name sein; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt.
1 Mose 17,5
Blickt auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch gebar!
Jesaja 51,2
Stephanus antwortete: Brüder und Väter, hört mich an!
Apostelgeschichte 7,2
Es grüßt euch die Mitauserwählte in Babylon und Markus, mein Sohn.
1. Petrus 5,13
Zusätzlich betont aber der Apostel immer die ultimative Vaterschaft Gottes, welche der natürlichen Vaterschaft auf Erden nicht abträglich ist.
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, von dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat.
Epheser 3,14-15
Auslegungen von Theologen
Tertullian
Einen anderen Vater als Gott anzuerkennen. Gewährt, dass Abraham unser Vater ist; gewährt auch, dass Paulus es ist. 'Im Evangelium', sagt er, 'habe ich euch gezeugt.' Zeige dich auch als ein Sohn Abrahams. Denn wenn 'der Glaube' die Quelle ist, aus der wir zu Abraham als seinen 'Söhnen' gezählt werden (wie der Apostel lehrt, indem er zu den Galatern sagt: 'Ihr wisst also, dass die, die aus dem Glauben sind, diese sind die Söhne Abrahams').
Tertullian (160 - 240) — CCEL
Hl. Hieronymus
Niemand sollte Lehrer oder Vater genannt werden, außer Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Er allein ist der Vater, weil alles von ihm kommt. Er allein ist der Lehrer, weil durch ihn alle Dinge gemacht sind. Aber man könnte fragen: 'Verstößt dies gegen dieses Gebot, wenn der Apostel sich selbst den Lehrer der Heiden nennt?' Denkt an diese Unterscheidung.
Es ist ein Unterschied, ob man von Natur aus ein Vater oder ein Lehrer ist, oder ob man es durch Teilnahme ist. Ein Mann wird nur richtig Lehrer genannt, wenn er mit dem wahren Lehrer in Verbindung steht. Die Tatsache, dass wir einen Gott und einen Sohn Gottes durch die Natur haben, hindert andere nicht daran, als Söhne Gottes durch Adoption verstanden zu werden.
Hl. Hieronymus (348 - 420) — Catena Bible
George Leo Haydock
Nennt keinen euren Vater, noch lasst euch Meister nennen. Die Bedeutung ist, dass unser Vater im Himmel unvergleichlich mehr zu beachten ist als irgendein Vater auf Erden; und kein Meister soll gefolgt werden, der uns von Christus wegführen würde.
Aber das hindert nicht daran, dass wir nach dem Gesetz Gottes einen angemessenen Respekt sowohl für unsere Eltern und geistlichen Väter (1 Korinther 4,15) als auch für unsere Meister und Lehrer haben sollen. Hier wird nichts verboten außer den streitsüchtigen Spaltungen und der selbst übernommenen Autorität solcher, die sich selbst zu Anführern von Spaltungen und Sekten machen.
George Leo Haydock (1774–1849) — Catena Bible
Schlussfolgerung
Wenn wir andere Vater oder Lehrer nennen, dann nicht in der identischen Weise, wie wir den Schöpfer als Vater und Lehrer bezeichnen. Nur Gott ist in absolutem Sinne unser Vater und Lehrer. Menschen wie Abraham, Paulus und Petrus werden in einem relativen Sinne Vater genannt, in Abhängigkeit und als Verweis auf Gott.
Gott machte Abraham zum Vater der Gläubigen und berief Paulus und Petrus zu Lehrern und Vätern der Christen. Ebenso ist es mit geistlichen Führern wie Priestern und dem Papst.Bibliographie
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